Wo ist das?   Sitemap
Franziska.ch > Jakobsweg > Spanien > 10. Mai St.Jean Pied de Port - Roncesvalles















"Spanien, hier bin ich nun. Unglaublich. Hab mich bei der Grenze hingesetzt und geweint. Das erste Buenos dias und ich bin in Tränen ausgebrochen. Ich habe glaub nie wirklich gedacht, dass ich so weit komme. Und jetzt bin ich hier und kann nicht spanisch. Das stresst mich, ich muss das ganz schnell lernen.
Ganz viele Leute hier, Touristen, Autopilger. Viele hatten heute ihren ersten Tag. Ein riesen Getto in der Gite, gar nicht lustig. Ich kann es an mir vorbeigehen lassen aber trotzdem vermisse ich die Ruhe von vorher. Werde mich wieder daran gewöhnen müssen.
Ich kann es einfach nicht fassen, dass ich hier bin. Ich glaube, dass ich auch etwas traurig bin, weil ich Frankreich verlassen habe. Es hat mir ja so gefallen. Und, als wollte mich das Land behalten oder einen letzten Eindruck hinterlassen, hat es sich in einer gewaltigen Schönheit präsentiert. Der Aufstieg auf 1400 Meter war anstrengend aber landschaftlich ein wahnsinniges Erlebnis! Nebel im Tal und oben die Sonne und eine gewaltige Aussicht. Und ich sitze vor meinem Bier und schüttle nur den Kopf. Ich kann es einfach nicht glauben.
Gestern habe ich Tina und Papi angerufen, aber sie konnten mir auch nicht helfen. Und ich bin immernoch traurig, dass ich nicht mit ihnen reden kann, den Spaniern, ich würde so gerne.

Man muss nämlich auf sich schauen, sonst wird man müde und unzufrieden mit allem. Aber für mich ist das ja einfach hier, es kennt mich ja niemand und ich muss nichts darstellen. Ui, wie mache ich das blos, wenn ich wieder nach Hause komme? Ich hab ja noch einen Monat Zeit, das etwas zu festigen aber ich merke, dass es manchmal echt Mut braucht. Mann würde schon gerne etwas mehr darstellen, als man ist. Aber warum denkt man denn, dass die Leute mit demwas man ist, nicht zufrieden sind? Werbung, Gesellschaftszwänge,... ist ja egal warum. Dabei geht es ja allen Menschen so und man könnte doch einfach aufhören, dauernd so blöde Forderungen aneinander zu stellen, und alle wären erleichtert.
Ist es denn nicht schön, wie die Menschen so verschieden sind? Nicht nur das Aussehen, auch ihre Ansichten und Lebensweisen. Und ich möchte mich einfach über sie freuen und es nicht werten. Nicht nach meinen Masstäben urteilen. Wie kann ich mir anmassen, über Gut und Schlecht, Schön und Hässlich, Arm und Reich zu urteilen? Wie eingebildet ist nur der Mensch, da wir doch nur ein Haufen tanzender Ameisen sind, ein Haufen kleiner mikriger Haufen Irren. Oh, damit will ich keine Ameise beleidigen.

=> Das ist nicht das richtige Leben, nicht der wirkliche Alltag, den du da führst, desshalb kannst du so im Zeugs rum philosophieren!

Was, um alles in der Welt ist den nicht wirklich daran?, was nicht richtig? Es ist einfach anders, als „normal“, als von der Gesellschaft vorgeschrieben, so mir Arbeiten, einer Familie und einem kleinen Haus und Steuern bezahlend. Aber was soll den falsch daran sein, sich selber und seine Umwelt endlich mal kennen zu lernen, zu sehen und zu achten? Zu singen und tanzen und sorglos zu sein? Worüber soll man sich den Sorgen machen? Es kommt ja nicht drauf an.
Was passiert nur mit mir, ich kenne mich nicht, es ist mir auch egal, mich nicht zu kennen, ich gebe mich einfach hin. Und ich finde es schön und bin manchmal überrascht. Eigentlich sollte ich nicht aufhören zu laufen, und einfach so zu sein, wie es mich gerade formt.

Und jetzt gehe ich in die Kirche zur Messe, höre zu, geniesse die Atmosphäre und sehr warscheinlich werde ich weinen vor Glück und Trauer und Überwältigung. Ich freue mich darauf. Und nachher endlich das Essen!

Viva Espana!"