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Franziska.ch > Jakobsweg > Spanien > 27. Mai Leon - Hospital de Orbigo



"Naja, so leid es mir tut, hab hald einfach keine Lust zu schreiben. Also, schreiben würde ich schon, aber ich weiss nicht was. Ich laufe hald einfach. Heute war ich wiedermal recht gut drauf. Mit meinem neuen Rucksack gings recht gut, ganz gemütlich, so leicht. Und da ging ich so zufrieden des Weges und merke auf einmal, wie ich es liebe, an den Gräsern zu ziehen und die Büschel in den Händen zu halten. Und dann hab ich gedacht, dass mir das sehr fehlen wird. Vielleicht wird es mir nicht aktiv fehlen, ich werde wahrscheinlich nicht denken: Oh, jetzt möchte ich an den Gräsern ziehen. Aber die ganze Natur wird mir fehlen. Das heisst, ich weiss ja noch nicht, was ich machen werde, aber jetzt bin ich die ganze Zeit draussen, ich lebe im Freien, geniesse die Düfte und Geräusche der Natur. Ich laufe nur, muss nichts tun und überlegen, mir keine Sorgen machen, verstehe genug spanisch, weiss, wie es funktioniert, alles, hab mich an stinkende WC’s und überflutete Duschen, überfüllte Schlafräume, selber waschen, stinkende Kleider und überhaupt an alles gewöhnt. Ja, ich hab mich nicht nur daran gewöhnt, sonder habe es schätzen und lieben gelernt. Sogar die Leute habe ich zum Teil gern bekommen. Eigentlich habe ich nur Angst vor dem nach Hause gehen. Eigentlich fürchte ich mich nur vor den Träumen, in denen ich wieder zurückgehen will. Ich habe Angst, das alles zu sehr zu vermissen und zu bereuen, nicht zurückgelaufen zu sein. Ich befürchte, dann wieder unzufrieden zu sein und zuwenig Mut und Kraft zu haben, einen Weg, eine art zu Leben, für mich zu finden. Ich würde gerne nach Hause laufen, um mich zu festigen, die begonnene Sache zu ende zu bringen. Was mich am meissten stresst, ist der Gedanke, wieder zurück in den alten Rhythmus zu fallen, unzufrieden zu werden und dann nochmals von vorne anfangen zu müssen. Aber manchmal denke ich auch, ich möchte jetzt nach hause gehen und es ausprobieren, das würde ich gerne! Manchmal, wie heute, wiedermal Samstagabend, vermisse ich die Leute zu hause. Ich male mir aus, wie es wäre, mit ein paar guten Leuten einen friedlichen Abend zu verbringen, ein wenig philosophieren und das Leben mit einer Flasche Wein diskutieren. Jetzt trinke ich eben den Wein alleine und philosophiere selber. Eigentlich auch ganz schön..."